Schauspiel
Erste Stunde
Klassenzimmerstück von Jörg Menke-PeitzmeyerTrauerrede des Bundespräsidenten Johannes Rau zum Gedenken an die Opfer des Verbrechens am Erfurter Gutenberg-Gymnasium
... Wenn unsere Gesellschaft zusammenhalten soll, wenn unsere Familien, unsere kleinen Gemeinschaften, unsere Schulen, unsere Betriebe, unsere Vereine zusammenhalten sollen, dann müssen wir uns umeinander kümmern.
Wir brauchen zweierlei: Wir müssen einander achten und wir müssen aufeinander achten.
Wir müssen einander achten: Niemand darf abgedrängt werden, niemand darf an einen Punkt kommen, an dem er glaubt, sein Leben sei nichts wert, weil er in einem bestimmten Bereich nur wenig leisten kann, weil er "nichts bringt", wie man so sagt. Kein Mensch kann leben ohne Zuwendung, ohne Geborgenheit, ohne Liebe. Jeder ist wertvoll durch das, was er ist, und nicht durch das, was er kann.
Wir müssen aber auch aufeinander achten: Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn unsere Freunde, unsere Schulkameraden, unsere Kinder, unsere Kollegen nicht mehr mitkommen, wenn sie Wege gehen, die ins Abseits führen, wenn sie aus der Wirklichkeit in die Scheinwelten von Drogen oder elektronischen Spielen flüchten. Aufeinander achten, das heißt, einander mitnehmen, füreinander da sein.
Alle Menschen sind beeinflussbar - und junge Menschen ganz besonders. Zum Guten wie zum Bösen. Wir sind verführbar. Unser Handeln hat manchmal Ursachen, die wir selber nicht kennen.
Es gibt im menschlichen Handeln aber keinen Automatismus von Ursache und Wirkung. Es gibt eine letzte Verantwortlichkeit des Einzelnen für das, was er tut.
Es stimmt: Welche Ziele und Vorbilder wir angeboten bekommen - davon hängt vieles ab.
Es stimmt aber auch: Welche Ideale wir selber wählen und mit anderen teilen - auch davon hängt vieles ab.
Diese Stunde der Trauer und der Besinnung stellt uns vor viele Fragen. Einige Fragen gehen die ganze Gesellschaft an, uns alle:
Wie rücksichtslos ist oft unser alltäglicher Umgang miteinander? Was gilt der andere, der schwächer ist oder älter oder der nicht ganz so cool ist oder nicht ganz so fit? Wie viel Herabsetzung und Ausgrenzung mutet uns manche Werbung zu? Wie viel Gewalt steckt oft schon in der Sprache? ...
Erfurt, 03.05.2002
... Wenn unsere Gesellschaft zusammenhalten soll, wenn unsere Familien, unsere kleinen Gemeinschaften, unsere Schulen, unsere Betriebe, unsere Vereine zusammenhalten sollen, dann müssen wir uns umeinander kümmern.
Wir brauchen zweierlei: Wir müssen einander achten und wir müssen aufeinander achten.
Wir müssen einander achten: Niemand darf abgedrängt werden, niemand darf an einen Punkt kommen, an dem er glaubt, sein Leben sei nichts wert, weil er in einem bestimmten Bereich nur wenig leisten kann, weil er "nichts bringt", wie man so sagt. Kein Mensch kann leben ohne Zuwendung, ohne Geborgenheit, ohne Liebe. Jeder ist wertvoll durch das, was er ist, und nicht durch das, was er kann.
Wir müssen aber auch aufeinander achten: Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn unsere Freunde, unsere Schulkameraden, unsere Kinder, unsere Kollegen nicht mehr mitkommen, wenn sie Wege gehen, die ins Abseits führen, wenn sie aus der Wirklichkeit in die Scheinwelten von Drogen oder elektronischen Spielen flüchten. Aufeinander achten, das heißt, einander mitnehmen, füreinander da sein.
Alle Menschen sind beeinflussbar - und junge Menschen ganz besonders. Zum Guten wie zum Bösen. Wir sind verführbar. Unser Handeln hat manchmal Ursachen, die wir selber nicht kennen.
Es gibt im menschlichen Handeln aber keinen Automatismus von Ursache und Wirkung. Es gibt eine letzte Verantwortlichkeit des Einzelnen für das, was er tut.
Es stimmt: Welche Ziele und Vorbilder wir angeboten bekommen - davon hängt vieles ab.
Es stimmt aber auch: Welche Ideale wir selber wählen und mit anderen teilen - auch davon hängt vieles ab.
Diese Stunde der Trauer und der Besinnung stellt uns vor viele Fragen. Einige Fragen gehen die ganze Gesellschaft an, uns alle:
Wie rücksichtslos ist oft unser alltäglicher Umgang miteinander? Was gilt der andere, der schwächer ist oder älter oder der nicht ganz so cool ist oder nicht ganz so fit? Wie viel Herabsetzung und Ausgrenzung mutet uns manche Werbung zu? Wie viel Gewalt steckt oft schon in der Sprache? ...
Erfurt, 03.05.2002