Schauspiel/Thriller
Misery
Paul Sheldon führt das Leben eines erfolgreichen Schriftstellers...bis er durch eine Kette erschreckender Zufälle die Bekanntschaft von Annie Wilkes macht.
Annie Wilkes, Sheldons allergrößter Fan, hat all seine Romane über die wundervolle Misery Chastain gelesen. Sie rettet den verunglückten Schriftsteller vor dem sicheren Erfrierungstod, schient seine gebrochenen Beine, versorgt ihn mit Medikamenten. Erst langsam realisiert Sheldon, daß er entführt wurde und in wirklich großen Schwierigkeiten steckt ... Denn Annie hat eine Vergangenheit und sie hat ganz konkrete Vorstellungen davon, wie ihre kleine Welt beschaffen sein sollte, die sich in ihrem Mittelpunkt um Paul Sheldon und Misery Chastain dreht. Sheldon hatte seine Titelheldin in seinem letzten Buch jedoch sterben lassen...
1990 wurde der Roman "Misery" von Stephen King mit James Caan und Kathy Bates in den Hauptrollen verfilmt; Kathy Bates wurde für ihre Darstellung der Annie Wilkes mit dem Oscar ausgezeichnet.
Das Beste, was Stephen King je geschrieben hat. The New York Times
...ein abwechslungsreicher und faszinierender Psychothriller über ein extremes Abhängigkeitsverhältnis. Zoom
Regie: Anke Techentin
Premiere: 18. März 2004
Abgespielt.
Annie Wilkes, Sheldons allergrößter Fan, hat all seine Romane über die wundervolle Misery Chastain gelesen. Sie rettet den verunglückten Schriftsteller vor dem sicheren Erfrierungstod, schient seine gebrochenen Beine, versorgt ihn mit Medikamenten. Erst langsam realisiert Sheldon, daß er entführt wurde und in wirklich großen Schwierigkeiten steckt ... Denn Annie hat eine Vergangenheit und sie hat ganz konkrete Vorstellungen davon, wie ihre kleine Welt beschaffen sein sollte, die sich in ihrem Mittelpunkt um Paul Sheldon und Misery Chastain dreht. Sheldon hatte seine Titelheldin in seinem letzten Buch jedoch sterben lassen...
1990 wurde der Roman "Misery" von Stephen King mit James Caan und Kathy Bates in den Hauptrollen verfilmt; Kathy Bates wurde für ihre Darstellung der Annie Wilkes mit dem Oscar ausgezeichnet.
Das Beste, was Stephen King je geschrieben hat. The New York Times
...ein abwechslungsreicher und faszinierender Psychothriller über ein extremes Abhängigkeitsverhältnis. Zoom
Regie: Anke Techentin
Premiere: 18. März 2004
Abgespielt.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
Friedrich Nietzsche
Ich finde, wenn eine Geschichte der Angst erfolgreich sein soll, müssen Figuren und Situationen so gestaltet sein, dass sie sofort Assoziationen im Leser wecken. Der Leser muss an der Handlung teilhaben. Er muss mit dem Helden glauben, fühlen, sorgen, sich identifizieren mit den eigenen Kümmernissen des Lebens. Und genau das ist es, was bis heute den Reiz der King-Erzählungen ausmacht: alle sind sie in einem modernen, der Wirklichkeit nachempfundenen Schauplatz angesiedelt, den der Leser sofort als seine vertraute Umwelt erkennt. Ein mit wohligem Behagen geschildertes Stück banalen, täglichen Leben, das jeder kennt.
Marcel Feige
Die Geschichte zählt, nicht der, der sie erzählt.
Stephen King
Es ist doch jedenfalls eine gute Sache, daß ich niemanden umgebracht habe, oder?
Stephen King
Friedrich Nietzsche
Ich finde, wenn eine Geschichte der Angst erfolgreich sein soll, müssen Figuren und Situationen so gestaltet sein, dass sie sofort Assoziationen im Leser wecken. Der Leser muss an der Handlung teilhaben. Er muss mit dem Helden glauben, fühlen, sorgen, sich identifizieren mit den eigenen Kümmernissen des Lebens. Und genau das ist es, was bis heute den Reiz der King-Erzählungen ausmacht: alle sind sie in einem modernen, der Wirklichkeit nachempfundenen Schauplatz angesiedelt, den der Leser sofort als seine vertraute Umwelt erkennt. Ein mit wohligem Behagen geschildertes Stück banalen, täglichen Leben, das jeder kennt.
Marcel Feige
Die Geschichte zählt, nicht der, der sie erzählt.
Stephen King
Es ist doch jedenfalls eine gute Sache, daß ich niemanden umgebracht habe, oder?
Stephen King
Anfang der Achtziger flog ich mit meiner Frau teils geschäftlich, teils privat, nach London. Im Flugzeug schlief ich ein und träumte von einem bekannten Schriftsteller (vielleicht war ich es selbst, jedenfalls war es hundertprozentig nicht James Caan), der in die Klauen eines psychisch kranken Fans gerät, der irgendwo ganz weit draußen auf einer Farm lebt. Es handelte sich um eine Frau, die von ihren Wahnvorstellungen in die Einsamkeit getrieben wird. Sie hält ein paar Tiere in einer Scheune, darunter ihr Lieblingstier, das Schwein Misery. Sie hat es nach der Hauptfigur in den erfolgreichen Liebesromanen des Autors benannt. Beim Aufwachen konnte ich mich am klarsten an etwas erinnern, das die Frau zu dem Schriftsteller sagt, den sie mit seinem gebrochenen Bein im hinteren Schlafzimmer gefangenhält. Um diesen Satz nicht zu vergessen, schrieb ich ihn auf eine Serviette der American Airlines und steckte sie mir in die Jackentasche. Inzwischen habe ich sie verloren, aber ich weiß noch fast genau, was ich auf ihr festhielt:
Sie redet ernst, aber weicht seinen Blicken aus. Eine große Frau, sehr kräftig und stabil; ihr solider Körper verdrängt die Luft (Was sollte das denn heißen? Vergessen Sie nicht, ich war gerade aufgewacht). "Ich wollte mich nicht über Sie lustig machen, Sir, als ich mein Schwein Misery nannte. Denken Sie das bitte nicht. Nein, ich habe ihm den Namen im Gefühl meiner Verehrung gegeben, der reinsten Form der Liebe. Sie sollten sich geschmeichelt fühlen."
Tabby und ich wohnten im Brown's Hotel in London, und in der ersten Nacht konnte ich einfach nicht einschlafen. Das lag teilweise an den Geräuschen aus dem Zimmer genau über uns, die nach drei kleinen Mädchen beim Kunstturnen klangen, teilweise mit Sicherheit an der Zeitumstellung, aber auf jeden Fall auch an der Serviette aus dem Flugzeug. Darauf gekritzelt stand der Keim einer Geschichte, die wirklich hervorragend werden konnte: angsteinflößend, aber auch lustig und ironisch. Sie war zu gut, um nicht geschrieben zu werden, dachte ich.
Ich stand auf, ging nach unten und fragte den Portier, ob es einen ruhigen Platz im Hotel gebe, an dem ich ein bißchen arbeiten könne. Er führte mich zu einem wunderschönen Schreibtisch auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock. Das sei einmal der Schreibtisch von Rudyard Kipling gewesen, verriet er mir mit vielleicht verständlichem Stolz. Diese Offenbarung schüchterte mich ein wenig ein, doch war der Ort still und der Schreibtisch sehr einladend; vor allem hatte er eine riesengroße Arbeitsfläche aus Kirschbaum. Gestärkt von einer Tasse Tee nach der anderen (den trank ich bei der Arbeit eimerweise ... wenn ich kein Bier hatte, heißt das), füllte ich sechzehn Seiten meines Stenoblocks. Ich schreibe gerne mit der Hand, das einzige Problem dabei ist nur, daß ich den in meinem Kopf entstehenden Zeilen nicht schnell genug folgen kann und durcheinanderkomme, wenn ich richtig in Fahrt bin.
Als ich aufgehört hatte, ging ich kurz in der Eingangshalle vorbei, um dem Portier noch einmal zu danken, daß ich Mr. Kiplings herrlichen Schreibtisch benutzen durfte. "Es freut mich sehr, daß er Ihnen gefallen hat", antwortete er. Er lächelte wehmütig, als hätte er den Schriftsteller noch selbst gekannt. "Kipling ist an dem Tisch gestorben. Schlaganfall. Beim Schreiben."
Ich ging zurück nach oben in mein Zimmer, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Wie oft, dachte ich, werden uns Dinge erzählt, auf die wir wirklich verzichten können. (...)
Als ich den ersten Abschnitt aus Brown's Hotel beendet hatte, in dem Paul Sheldon aufwacht und merkt, daß er Annie Wilkes' Gefangener ist, glaubte ich zu wissen, was des weiteren passierte. Annie würde von Paul verlangen, einen letzten Roman über seine mutige Hauptfigur Misery Chastain zu schreiben, jedoch für Annie ganz allein. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich Paul natürlich einverstanden (eine psychotische Krankenschwester, dachte ich, kann ganz schön überzeugend sein). Annie sagt ihm, sie wolle ihr geliebtes Schwein Misery diesem Vorhaben opfern. Von Miserys Rückkehr sollte es nur ein einziges Exemplar geben: ein in Schweineleder gebundenes Original-Manuskript!
Hier blenden wir aus, dachte ich, und kehren zum überraschenden Ende sechs oder acht Monate später in Annies abgelegenem Haus in Colorado zurück.
Paul ist nicht mehr da, sein Krankenzimmer ist ein Schrein zu Ehren von Misery Chastain, doch das Schwein Misery grunzt noch immer sehr lebendig und vergnügt in seinem Stall neben der Scheune. An den Wänden des "Misery-Zimmers" hängen Buchumschläge, Fotos aus Misery-Filmen, Bilder von Paul Sheldon, vielleicht eine Zeitungsmeldung mit der Überschrift BERÜHMTER AUTOR NOCH IMMER VERMISST. In der Mitte des Zimmers liegt auf einem kleinen Tisch (zu Ehren von Mr. Kipling natürlich aus Kirschholz) ein liebevoll ausgeleuchtetes Buch. Es ist die Annie-Wilkes-Ausgabe von Miserys Rückkehr. Sie ist wunderschön gebunden, aus gutem Grund: Es ist die Haut von Paul Sheldon. Und Paul selbst? Seine Knochen sind vielleicht hinter der Scheune vergraben, aber ich hielt es für wahrscheinlich, daß die Sau die leckeren Teile gefressen hatte.
Keine schlechte Idee, daraus würde sich eine recht hübsche Geschichte stricken lassen (jedoch kein guter Roman, denn niemand hat Lust, dreihundert Seiten lang nach einem Typen zu suchen, nur um zu erfahren, daß er zwischen Kapitel 16 und 17 vom Schwein gefressen wurde), aber tatsächlich entwickelte sich alles ganz anders. Paul Sheldon erwies sich als weitaus einfallsreicher, als ich anfangs gedacht hatte, und seine Anstrengungen, Scheherezade zu spielen und dadurch sein Leben zu verlängern, gaben mir Gelegenheit, von der erlösenden Kraft des Schreibens zu erzählen, die ich zwar immer schon gespürt, aber noch nie hatte in Worte fassen können. Auch Annie wurde vielschichtiger, als ich sie mir zuerst vorgestellt hatte. Es machte Riesenspaß, sie darzustellen: diese Frau, der nichts Schlimmeres über die Lippen kommt als "die furchtbaren Bälger", die jedoch keinerlei Hemmungen hat, ihrem Lieblingsautor den Fuß abzuhacken, als er vor ihr zu flüchten versucht. Am Ende hatte ich das Gefühl, Annie ebensosehr zu bemitleiden wie zu fürchten. (...) Und jetzt, beim Schreiben, muß ich lächeln. Obwohl ich damals alkoholkrank und drogensüchtig war, hatte ich doch soviel Spaß mit diesem Roman.
Stephen King: Das Leben und das Schreiben, aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer, Heyne München 2002, S. 182ff. (Die Originalausgabe: On Writing erschien 2000 bei Scribner, New York.)
Sie redet ernst, aber weicht seinen Blicken aus. Eine große Frau, sehr kräftig und stabil; ihr solider Körper verdrängt die Luft (Was sollte das denn heißen? Vergessen Sie nicht, ich war gerade aufgewacht). "Ich wollte mich nicht über Sie lustig machen, Sir, als ich mein Schwein Misery nannte. Denken Sie das bitte nicht. Nein, ich habe ihm den Namen im Gefühl meiner Verehrung gegeben, der reinsten Form der Liebe. Sie sollten sich geschmeichelt fühlen."
Tabby und ich wohnten im Brown's Hotel in London, und in der ersten Nacht konnte ich einfach nicht einschlafen. Das lag teilweise an den Geräuschen aus dem Zimmer genau über uns, die nach drei kleinen Mädchen beim Kunstturnen klangen, teilweise mit Sicherheit an der Zeitumstellung, aber auf jeden Fall auch an der Serviette aus dem Flugzeug. Darauf gekritzelt stand der Keim einer Geschichte, die wirklich hervorragend werden konnte: angsteinflößend, aber auch lustig und ironisch. Sie war zu gut, um nicht geschrieben zu werden, dachte ich.
Ich stand auf, ging nach unten und fragte den Portier, ob es einen ruhigen Platz im Hotel gebe, an dem ich ein bißchen arbeiten könne. Er führte mich zu einem wunderschönen Schreibtisch auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock. Das sei einmal der Schreibtisch von Rudyard Kipling gewesen, verriet er mir mit vielleicht verständlichem Stolz. Diese Offenbarung schüchterte mich ein wenig ein, doch war der Ort still und der Schreibtisch sehr einladend; vor allem hatte er eine riesengroße Arbeitsfläche aus Kirschbaum. Gestärkt von einer Tasse Tee nach der anderen (den trank ich bei der Arbeit eimerweise ... wenn ich kein Bier hatte, heißt das), füllte ich sechzehn Seiten meines Stenoblocks. Ich schreibe gerne mit der Hand, das einzige Problem dabei ist nur, daß ich den in meinem Kopf entstehenden Zeilen nicht schnell genug folgen kann und durcheinanderkomme, wenn ich richtig in Fahrt bin.
Als ich aufgehört hatte, ging ich kurz in der Eingangshalle vorbei, um dem Portier noch einmal zu danken, daß ich Mr. Kiplings herrlichen Schreibtisch benutzen durfte. "Es freut mich sehr, daß er Ihnen gefallen hat", antwortete er. Er lächelte wehmütig, als hätte er den Schriftsteller noch selbst gekannt. "Kipling ist an dem Tisch gestorben. Schlaganfall. Beim Schreiben."
Ich ging zurück nach oben in mein Zimmer, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Wie oft, dachte ich, werden uns Dinge erzählt, auf die wir wirklich verzichten können. (...)
Als ich den ersten Abschnitt aus Brown's Hotel beendet hatte, in dem Paul Sheldon aufwacht und merkt, daß er Annie Wilkes' Gefangener ist, glaubte ich zu wissen, was des weiteren passierte. Annie würde von Paul verlangen, einen letzten Roman über seine mutige Hauptfigur Misery Chastain zu schreiben, jedoch für Annie ganz allein. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich Paul natürlich einverstanden (eine psychotische Krankenschwester, dachte ich, kann ganz schön überzeugend sein). Annie sagt ihm, sie wolle ihr geliebtes Schwein Misery diesem Vorhaben opfern. Von Miserys Rückkehr sollte es nur ein einziges Exemplar geben: ein in Schweineleder gebundenes Original-Manuskript!
Hier blenden wir aus, dachte ich, und kehren zum überraschenden Ende sechs oder acht Monate später in Annies abgelegenem Haus in Colorado zurück.
Paul ist nicht mehr da, sein Krankenzimmer ist ein Schrein zu Ehren von Misery Chastain, doch das Schwein Misery grunzt noch immer sehr lebendig und vergnügt in seinem Stall neben der Scheune. An den Wänden des "Misery-Zimmers" hängen Buchumschläge, Fotos aus Misery-Filmen, Bilder von Paul Sheldon, vielleicht eine Zeitungsmeldung mit der Überschrift BERÜHMTER AUTOR NOCH IMMER VERMISST. In der Mitte des Zimmers liegt auf einem kleinen Tisch (zu Ehren von Mr. Kipling natürlich aus Kirschholz) ein liebevoll ausgeleuchtetes Buch. Es ist die Annie-Wilkes-Ausgabe von Miserys Rückkehr. Sie ist wunderschön gebunden, aus gutem Grund: Es ist die Haut von Paul Sheldon. Und Paul selbst? Seine Knochen sind vielleicht hinter der Scheune vergraben, aber ich hielt es für wahrscheinlich, daß die Sau die leckeren Teile gefressen hatte.
Keine schlechte Idee, daraus würde sich eine recht hübsche Geschichte stricken lassen (jedoch kein guter Roman, denn niemand hat Lust, dreihundert Seiten lang nach einem Typen zu suchen, nur um zu erfahren, daß er zwischen Kapitel 16 und 17 vom Schwein gefressen wurde), aber tatsächlich entwickelte sich alles ganz anders. Paul Sheldon erwies sich als weitaus einfallsreicher, als ich anfangs gedacht hatte, und seine Anstrengungen, Scheherezade zu spielen und dadurch sein Leben zu verlängern, gaben mir Gelegenheit, von der erlösenden Kraft des Schreibens zu erzählen, die ich zwar immer schon gespürt, aber noch nie hatte in Worte fassen können. Auch Annie wurde vielschichtiger, als ich sie mir zuerst vorgestellt hatte. Es machte Riesenspaß, sie darzustellen: diese Frau, der nichts Schlimmeres über die Lippen kommt als "die furchtbaren Bälger", die jedoch keinerlei Hemmungen hat, ihrem Lieblingsautor den Fuß abzuhacken, als er vor ihr zu flüchten versucht. Am Ende hatte ich das Gefühl, Annie ebensosehr zu bemitleiden wie zu fürchten. (...) Und jetzt, beim Schreiben, muß ich lächeln. Obwohl ich damals alkoholkrank und drogensüchtig war, hatte ich doch soviel Spaß mit diesem Roman.
Stephen King: Das Leben und das Schreiben, aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer, Heyne München 2002, S. 182ff. (Die Originalausgabe: On Writing erschien 2000 bei Scribner, New York.)
geb. 1947 in Maine, USA
King: (...) Als ich Anfang der siebziger Jahre mit einem Abschluß in Englisch und einer Lehrerlaubnis das College verließ, stellte ich fest, daß eine Lehrerschwemme herrschte, daher arbeitete ich zunächst als Tankwart in einer Tankstelle und später für sechzig Dollar pro Woche als Bügler in einer Großwäscherei. Wir waren so arm wie Kirchenmäuse und hatten zwei kleine Kinder, und es erübrigt sich wohl zu sagen, daß es nicht leicht war, mit diesem Gehalt auszukommen. Meine Frau suchte sich Arbeit in einem benachbarten Dunkin´ Donuts und kam jeden Abend und roch wie ein Krapfen. Anfangs ein ganz netter Geruch, Sie wissen schon, angenehm und süß, aber nach einer Weile wurde er verdammt penetrant - ich war seither nicht mehr imstande, einem Krapfen ins Gesicht zu sehen.
Wie auch immer, im Herbst 1971 bekam ich schließlich einen Job als Englischlehrer an der Hampden Academy, jenseits des Penobscot River in Bangor, aber sie zahlten nur sechstausendvierhundert Dollar jährlich, kaum mehr, als ich vorher verdient hatte. Ich mußte sogar nachts wieder in der Wäscherei arbeiten, damit wir uns über Wasser halten konnten. Wir lebten auf einer kahlen, verschneiten Bergkuppe in Hermon, Maine, in einem Wohnwagen - was nicht der Arsch des Universums sein mag, aber bestenfalls einen Furz weit davon entfernt ist. Ich kam erschöpft von der Schule heim und zwängte mich in den Heizraum des Wohnwagens, wo ich Tabbys (Kings Frau Tabitha, mit der er seit 1971 verheiratet ist, mittlerweile ebenfalls eine erfolgreiche Autorin, S.P.) kleine tragbare Olivetti auf einen Kindertisch stellte, den ich auf den Knien balancieren mußte, und dort versuchte ich dann, funkelnde Prosa zu tippen.
Dort habe ich übrigens Brennen muß Salem geschrieben. Es war mein zweites veröffentlichtes Buch, aber ich hatte den größten Teil davon fertiggestellt, bevor Carrie von Doubleday angekauft worden war. Und glauben Sie mir, wenn ich nach einem Tag des Unterrichtens nach Hause kam und mit ansehen mußte, wie Tabby kühn mit einen Berg unbezahlter Rechnungen jonglierte, war es ein Vergnügen, mich in diesen engen Heizraum zu zwängen und mit einer Horde blutsaugender Vampire zu kämpfen. Verglichen mit unseren Gläubigern, waren sie eine verdammte Erleichterung!
Playboy: Haben Sie zu der Zeit irgendwelche Sachen verkauft?
King: Ja, aber nur Kurzgeschichten, und auch nur an die weniger verbreiteten Herren-Magazine wie Cavalier oder Dude. Das Geld war weiß Gott hilfreich, aber wenn Sie diesen speziellen Markt kennen, dann wissen Sie, daß es nicht viel war. Jedenfalls reichte das Honorar für meine Kurzgeschichten nicht aus, uns aus den roten Zahlen zu halten, und meine längeren Arbeiten führten zu nichts. Ich hatte mehrere Romane geschrieben, die von unlesbar über mittelmäßig bis ganz passabel reichten, aber alle waren abgelehnt worden, wenngleich ich etwas Zuspruch von einem wunderbaren Lektor bei Doubleday namens Bill Thompson erhielt. Aber so dienlich seine Unterstützung auch war, damit konnte ich nicht zur Bank gehen. Meine Kinder hatten aufgetragene Sachen von Freunden und Verwandten an, unser alter klappriger Buick Special Baujahr 1965 war in rapider Selbstvernichtung begriffen, und wir mußten schließlich Ma Bell bitten, unser Telefon abzuholen.
Und zu alledem ging auch persönlich noch alles schief. Ich würde heute zu gerne sagen, daß ich wacker aufgestanden bin und allen widrigen Umständen mutig die Faust ins Antlitz geschüttelt und unbeeinträchtigt weitergemacht habe, aber das kann ich nicht. Ich ergab mich Selbstmitleid und meinen Ängsten und fing an, zuviel zu trinken und das Geld mit Poker und Glücksspiel durchzubringen. Sie kennen die Szene ja: Es ist Freitagabend, und man löst seinen Gehaltsscheck in der Bar ein und fängt an, sie runterzukippen, und ehe man sich's versieht, hat man das halbe Lebensmittelbudget der Woche auf den Kopf gehauen.
King: (...) ich betrachte mich im Grunde genommen schon als Horror-Autor, weil es mir Spaß macht, den Leuten angst zu machen. So wie Garfield sagt, "Lasagne ist mein Leben", so kann ich mit Fug und Recht sagen, daß Horror meines ist. Ich würde ihn auch dann schreiben, wenn ich nichts dafür bezahlt bekäme, weil es auf Gottes grüner Erde nichts Schöneres gibt, als den Leuten eine Scheißangst einzujagen. (...) Wenn jemand wegen dem, was ich geschrieben habe, schreiend erwacht, dann freut mich das sehr. Wenn er lediglich seine Kekse auskotzt, ist das immer noch ein Sieg, wenn auch ein kleinerer. Ich glaube, der größte Triumph wäre, wenn jemand tot umfällt - Herzschlag, weil er sich buchstäblich zu Tode geängstigt hat. Ich würde sagen: "Herrgott, was für ein Jammer", und es wäre mein Ernst, aber ein Teil von mir würde denken: Mein Gott, es hat tatsächlich funktioniert!
Playboy: Machen Sie sich nie Sorgen, daß geistig instabile Leser Ihre erfundene Gewalt im tatsächlichen Leben begehen könnten?
King: Aber gewiß doch, und das bekümmert mich nicht wenig, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß es nicht so ist. Ich fürchte sogar, es könnte bereits geschehen sein.
PLAYBOY Interview: Stephen King, Playboy (US-Ausgabe), Juni 1983; zitiert nach: George Beahm (Hrsg.): Die Welt des Stephen King. Was Sie schon immer über den "Meister des Horrors" wissen wollten, Heyne München 1992 (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Stephen King Companion by George and Mary Beahm, erschienen bei Andrews & McMeel, Kansas City, Missouri 1989), S. 31ff., S. 51, 52 und 53.
King: (...) Als ich Anfang der siebziger Jahre mit einem Abschluß in Englisch und einer Lehrerlaubnis das College verließ, stellte ich fest, daß eine Lehrerschwemme herrschte, daher arbeitete ich zunächst als Tankwart in einer Tankstelle und später für sechzig Dollar pro Woche als Bügler in einer Großwäscherei. Wir waren so arm wie Kirchenmäuse und hatten zwei kleine Kinder, und es erübrigt sich wohl zu sagen, daß es nicht leicht war, mit diesem Gehalt auszukommen. Meine Frau suchte sich Arbeit in einem benachbarten Dunkin´ Donuts und kam jeden Abend und roch wie ein Krapfen. Anfangs ein ganz netter Geruch, Sie wissen schon, angenehm und süß, aber nach einer Weile wurde er verdammt penetrant - ich war seither nicht mehr imstande, einem Krapfen ins Gesicht zu sehen.
Wie auch immer, im Herbst 1971 bekam ich schließlich einen Job als Englischlehrer an der Hampden Academy, jenseits des Penobscot River in Bangor, aber sie zahlten nur sechstausendvierhundert Dollar jährlich, kaum mehr, als ich vorher verdient hatte. Ich mußte sogar nachts wieder in der Wäscherei arbeiten, damit wir uns über Wasser halten konnten. Wir lebten auf einer kahlen, verschneiten Bergkuppe in Hermon, Maine, in einem Wohnwagen - was nicht der Arsch des Universums sein mag, aber bestenfalls einen Furz weit davon entfernt ist. Ich kam erschöpft von der Schule heim und zwängte mich in den Heizraum des Wohnwagens, wo ich Tabbys (Kings Frau Tabitha, mit der er seit 1971 verheiratet ist, mittlerweile ebenfalls eine erfolgreiche Autorin, S.P.) kleine tragbare Olivetti auf einen Kindertisch stellte, den ich auf den Knien balancieren mußte, und dort versuchte ich dann, funkelnde Prosa zu tippen.
Dort habe ich übrigens Brennen muß Salem geschrieben. Es war mein zweites veröffentlichtes Buch, aber ich hatte den größten Teil davon fertiggestellt, bevor Carrie von Doubleday angekauft worden war. Und glauben Sie mir, wenn ich nach einem Tag des Unterrichtens nach Hause kam und mit ansehen mußte, wie Tabby kühn mit einen Berg unbezahlter Rechnungen jonglierte, war es ein Vergnügen, mich in diesen engen Heizraum zu zwängen und mit einer Horde blutsaugender Vampire zu kämpfen. Verglichen mit unseren Gläubigern, waren sie eine verdammte Erleichterung!
Playboy: Haben Sie zu der Zeit irgendwelche Sachen verkauft?
King: Ja, aber nur Kurzgeschichten, und auch nur an die weniger verbreiteten Herren-Magazine wie Cavalier oder Dude. Das Geld war weiß Gott hilfreich, aber wenn Sie diesen speziellen Markt kennen, dann wissen Sie, daß es nicht viel war. Jedenfalls reichte das Honorar für meine Kurzgeschichten nicht aus, uns aus den roten Zahlen zu halten, und meine längeren Arbeiten führten zu nichts. Ich hatte mehrere Romane geschrieben, die von unlesbar über mittelmäßig bis ganz passabel reichten, aber alle waren abgelehnt worden, wenngleich ich etwas Zuspruch von einem wunderbaren Lektor bei Doubleday namens Bill Thompson erhielt. Aber so dienlich seine Unterstützung auch war, damit konnte ich nicht zur Bank gehen. Meine Kinder hatten aufgetragene Sachen von Freunden und Verwandten an, unser alter klappriger Buick Special Baujahr 1965 war in rapider Selbstvernichtung begriffen, und wir mußten schließlich Ma Bell bitten, unser Telefon abzuholen.
Und zu alledem ging auch persönlich noch alles schief. Ich würde heute zu gerne sagen, daß ich wacker aufgestanden bin und allen widrigen Umständen mutig die Faust ins Antlitz geschüttelt und unbeeinträchtigt weitergemacht habe, aber das kann ich nicht. Ich ergab mich Selbstmitleid und meinen Ängsten und fing an, zuviel zu trinken und das Geld mit Poker und Glücksspiel durchzubringen. Sie kennen die Szene ja: Es ist Freitagabend, und man löst seinen Gehaltsscheck in der Bar ein und fängt an, sie runterzukippen, und ehe man sich's versieht, hat man das halbe Lebensmittelbudget der Woche auf den Kopf gehauen.
King: (...) ich betrachte mich im Grunde genommen schon als Horror-Autor, weil es mir Spaß macht, den Leuten angst zu machen. So wie Garfield sagt, "Lasagne ist mein Leben", so kann ich mit Fug und Recht sagen, daß Horror meines ist. Ich würde ihn auch dann schreiben, wenn ich nichts dafür bezahlt bekäme, weil es auf Gottes grüner Erde nichts Schöneres gibt, als den Leuten eine Scheißangst einzujagen. (...) Wenn jemand wegen dem, was ich geschrieben habe, schreiend erwacht, dann freut mich das sehr. Wenn er lediglich seine Kekse auskotzt, ist das immer noch ein Sieg, wenn auch ein kleinerer. Ich glaube, der größte Triumph wäre, wenn jemand tot umfällt - Herzschlag, weil er sich buchstäblich zu Tode geängstigt hat. Ich würde sagen: "Herrgott, was für ein Jammer", und es wäre mein Ernst, aber ein Teil von mir würde denken: Mein Gott, es hat tatsächlich funktioniert!
Playboy: Machen Sie sich nie Sorgen, daß geistig instabile Leser Ihre erfundene Gewalt im tatsächlichen Leben begehen könnten?
King: Aber gewiß doch, und das bekümmert mich nicht wenig, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß es nicht so ist. Ich fürchte sogar, es könnte bereits geschehen sein.
PLAYBOY Interview: Stephen King, Playboy (US-Ausgabe), Juni 1983; zitiert nach: George Beahm (Hrsg.): Die Welt des Stephen King. Was Sie schon immer über den "Meister des Horrors" wissen wollten, Heyne München 1992 (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Stephen King Companion by George and Mary Beahm, erschienen bei Andrews & McMeel, Kansas City, Missouri 1989), S. 31ff., S. 51, 52 und 53.
Wie sehr King zeitweilig unter dem Ansturm mancher Fans litt, zeigt diese Geschichte: Im Lauf der Jahre hat King einige Male erzählt, er sei von Mark Chapman, dem Mann, der John Lennon erschossen hatte, angesprochen worden. King erinnerte sich daran, das Hauptquartier eines großen Fernsehsenders in New York verlassen zu haben, vor dem Mark Chapman ihn dann um ein Foto bat. Anschließend habe Chapman darauf bestanden, King solle das Polaroidfoto mit einem speziellen Textmarker unterschreiben.
Das hört sich beinahe wie etwas aus einer Stephen-King-Geschichte an: ein Vorfall aus dem echten Leben, der sich zu phantastisch anhört, um wahr zu sein, was anscheinend auch der Fall ist. David Streitfeld schrieb in der Washington Post, zu der Zeit, als das Ereignis, laut King, stattgefunden habe "lebte Chapman in Hawaii, und seine angespannte finanzielle Situation ließ es kaum zu, daß er nach New York fliegen konnte". Streitfeld schrieb, King erinnere sich zwar daran, ein Autogramm für einen Mark Chapman unterschrieben zu haben, doch King sei sich selbst nicht sicher, ob es sich dabei um den Mark Chapman gehandelt habe.
Wie King zu seinem Schrecken feststellen mußte, lag der Nachteil des Ruhms darin, daß seine Fans ihn nicht in Ruhe lassen würden. "Es scheint, als würden eine Menge Leute irgend etwas wollen. Sie wollen ein Stück von dir ..."
Eine von ihnen, Anne Hiltner aus Trenton, New Jersey, schien direkt aus der in Langoliers gedruckten Geschichte Das geheime Fenster, der geheime Garten zu stammen. Das Leben imitierte die Kunst, als Hiltner, wie die Hauptfigur in seiner Geschichte, King eines Plagiats beschuldigte. Ganz gemäß der rhetorischen Frage, die King in seinem Vorwort zu der Geschichte stellte: "Was passiert ... wenn das Fenster zwischen der Wirklichkeit und dem Phantastischen zerbricht und die Scheiben fliegen?"
Wie King wußte, konnten die seltsamsten Dinge geschehen, wenn dieses Fenster zerbrach. In der Ausgabe vom 18. April 1991 der Newport New Daily Press berichtete der kurzgefaßte Artikel Frau Verklagt King über diese surreale Geschichte: Eine Frau verklagt den Autor Stephen King, da er sich, wie sie behauptet, ihr geistiges Eigentum angeeignet habe und die Hauptfigur in Misery (dt.: Sie) auf ihrem Leben basieren würde. Anne Hiltner behauptet außerdem, King sei in ihr Haus eingebrochen und hätte einige Manuskripte gestohlen, zu dem auch das für seinen Bestsellerroman Misery gehörte. Kings Anwalt stritt diese fälschlichen Behauptungen wütend ab. Hiltner, eine Princeton-Absolventin, verlangt Schadenersatz, einen Anteil an den Tantiemen und die Entfernung des Buches aus dem Buchhandel. Sie führt an, King habe ihr im Jahre 1986 oder 1987 acht verlagsrechtlich geschützte Manuskripte gestohlen, die teilweise von ihr und teilweise von ihrem Bruder, James Hiltner, geschrieben worden waren. Hiltner fordert, daß der Autor Teile ihrer unveröffentlichten Werke in Misery miteinbringt.
Kings Heimatzeitung, Bangor Daily News lieferte noch zusätzliche Informationen über Hiltner. John Ripley, Redaktionsmitglied der News berichtete: Anne Hiltner erhebt beim Gericht New Jerseys Anklage gegen King. Sie behauptet, der Autor aus Bangor sei in ihr Haus und einen gemieteten Lagerraum eingebrochen, um ihre Arbeiten zu stehlen. Außerdem sei King mit einem Flugzeug über ihr Haus hinweggeflogen und habe sie mit Hilfe von Abhörgeräten belauscht. Hiltner, die King bereits seit zehn Jahren regelmäßig schreibt, versichert, daß die Romanfigur Wilkes aus Misery auf ihrem Leben basiere. In einem Brief, den sie im August 1990 an die News schickte, beteuert Hiltner, sie sei das "Opfer von fünf verleumderischen Büchern Stephen Kings und über einhundertfünfzig allein im Jahre 1990 von King verübten Einbrüchen". In diesem unzusammenhängenden, unveröffentlichten Brief schreibt Hiltner weiterhin, daß sie im Juli letzten Jahres beim Bangor-Polizeidepartment Beschwerde gegen Kings kriminelle Handlungen eingelegt habe, und daß King sie daraufhin letzten August anrief. Sie beschwerte sich außerdem darüber, daß sie von Seiten der Polizei in Bangor nur wenig Hilfe erhalten habe.
Das 1984 geschriebene und 1987 veröffentlichte Buch Misery wurde 1990 für die Leinwand umgeschrieben. Der Zeitpunkt der Klageerhebung legt nahe, daß der finanzielle Erfolg des Filmes Misery und die lobenden Worte der Kritiker wahrscheinlich der Katalysator für die Klage waren. Zwei Dinge standen jedoch eindeutig fest: Der Roman Misery war vor dem von Hiltner angegebenen Zeitpunkt des Diebstahls geschrieben und veröffentlicht worden. Und obwohl jeder eine Klage erheben kann, steht die Frage, ob man sie auch gewinnen wird, auf einem anderen Blatt. Wie der Kriminalbeamte aus Bangor, Robert Welch, bestätigte, wurde die sinnlose Klage letzten Endes abgewiesen. Trotzdem zeigte dieser Vorfall auf, welche Gefahren mit dem Ruhm verbunden sind, was Douglas E. Winter in seiner Abhandlung über Misery in dem Buch Stephen King: The Art for Darkness wie folgt erklärte: Stephen King spricht nur selten über die dunkle Seite seines Erfolges - die übereifrigen Fans, die echten Geisteskranken; daß er kein Privatleben mehr hat und ständig mit dem allgegenwärtigen Gespenst der Ausbeutung konfrontiert ist ... unter dem Gewicht der ständigen Drehbuchkorrekturen und den immer größer werdenden Ansprüchen, die man an seine Zeit stellte, leidend, brachte er schließlich einen Kurzroman zum Vorschein, dessen erster Entwurf beinahe schon vollendet war, und der voller Scharfsinn die größte Gefahr seines Ruhms erkundete.
Der Kriminalbeamte aus Bangor, Detective Robert Welch, hatte gehört, daß Hiltner eine Reise nach Bangor unternehmen würde, was sie jedoch nie tat. Aber der in San Antonio, Texas, lebende Eric Keene, der in einem Fast-food-Restaurant arbeitete, beschloß, daß er seinem Autor Nummer eins einen Besuch abstatten würde. Laut Detective Welch, erzählte Keene seinem Arbeitgeber, daß er nach Bangor, Maine, gehen würde ... was er dann auch tat.
Gemäß der Bangor Daily News habe Keene sowohl Stephen Kings Geschäftsräumen in Bangor als auch Kings Privathaus im Historic District, das in der Stadt nur allzu gut bekannt war, heimgesucht. Keene "erzählte der Polizei ... daß er etwas zu tun plane, mit dem er sich ins Licht der Öffentlichkeit rücken könne."
Am 18. April 1991 marschierte Keene in Kings Büro. Die News berichteten: "Marsha DeFilippo, eine Büroangestellte, erzählt, Keene habe von King verlangt, daß er ihm ein Paar Kontaktlinsen kaufte, ihm für einige Monate Quartier gewährte und ihn mit Zigaretten und Bier versorgte."
"Er belästigte mich derart, daß ich einige Leute, die mit mir arbeiten, bat, die Polizei zu rufen, falls er noch einmal auftauchen würde", erklärte Stephen King gegenüber der News. Zwei Tage später geschah das Undenkbare. Tabitha King, die sich nicht wohl fühlte, befand sich allein zu Hause, als das Fenster zwischen der Wirklichkeit und dem Phantastischen zerbarst und die Scherben flogen. (Stephen King und einer ihrer Söhne waren in Philadelphia bei einem Basketballspiel.)
Es war sechs Uhr morgens, als Tabitha King "hörte, wie in der Küche ein Glas zerbrach." Sie dachte, "es sei das Glasregal über dem Spülbecken und ... daß die Katze dort hinaufgesprungen sei."
Im Nachthemd ging sie nach unten, um nachzusehen. Doch anstelle ihrer Katze erblickte sie Keene. "Ich hatte überhaupt keine Zeit, mich zu fürchten", erzählte Tabitha später der News. "Ich war einfach nur erschrocken. Mein Körper hatte mir die Entscheidung schon aus der Hand genommen. Ich befand mich bereits auf dem Weg zur Tür, bevor er mir sagte, daß er eine Bombe hätte."
Tabitha flüchtete in ein Nachbarshaus und rief die Polizei. Die Beamten riegelten die Straße ab und begaben sich mit einigen Polizeihunden ins Haus, die Keene dann auf dem Dachboden ausfindig machten. Der "Fernzünder", den Keene in der Hand hielt, bestand nur "aus Pappe und einigen elektronischen Teilchen aus einem Taschenrechner."
"Ich wollte einfach auf diesen Dachboden. Ich habe genau das gemacht, was ich geplant hatte, als ich dort hinaufging. Ich sah es als eine Entschädigung für all die Bemühungen, die ich unternommen hatte", erzählte Keene später der News, als er gefragt wurde, was er unternommen hätte, wenn er nicht von der Polizei entdeckt worden wäre.
"Ich weiß nicht, was ich getan hätte, aber es ist lustig, es sich vorzustellen, oder?" überlegte Keene.
Laut News war Keene "vom Dallas County für Diebstahl verurteilt und wegen guter Führung bedingt entlassen" worden. Es wurde weiterhin berichtet, daß "der Mann aus Texas sagte, die Ärzte hätten ihn für schizophren erklärt, und er nehme schon jahrelang Drogen, die ihm von den behandelnden Ärzten verschrieben wurden." Was das Motiv anbelangte, berichtete die News: "Keene meint, er wolle ein Buch mit King schreiben. Er sagt, er sei es leid, arm zu sein, und daß er aufgrund seiner Geisteskrankheit diskriminiert würde."
Vor dem Obergericht von der Penobscot County wurde Keene wegen Einbruchs und Terrorisierung angeklagt und für schuldig erklärt, woraufhin er "auf nicht schuldig des Einbruchs im Sinne der Anklage und aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit auf unschuldig im Sinne der Anklageerhebung plädierte."
Die News fuhr fort: "Keene behauptet, er habe viele Probleme. Er fügte hinzu, daß er schon eine Menge Pläne darüber gemacht habe, was er tun wolle, wenn er jemals wieder aus dem Gefängnis kam. Er sagte, wenn er herauskomme, würde er King ein Geschenk ‚aus dem Reich des Makabren' machen."
Nach dem Vorfall, den Keene als "meine kleine Episode des Schreckens" bezeichnete, erklärte Stephen King gegenüber Journalisten: "Immerhin wohnen wir schon seit zwölf Jahren hier, und das war das erste Mal, daß jemand versucht hat, auf unserem Dachboden eine Bombe anzubringen." King, der sich weigerte, zum Gefangenen seines eigenen Erfolges zu werden, erzählte der Zeitung, daß er nur selten von Ortsansässigen belästigt würde. "Normalerweise schreiben diese Leute und kommen nicht einfach vorbei", meinte King. "Ich will nicht wie Michael Jackson leben oder wie Elvis in Graceland. Das ist ekelhaft. Es war schon schlimm genug, als wir den Zaun aufstellen mußten. Und es war sogar noch schlimmer, als wir uns ein Tor anschaffen mußten. Ich verabscheue den Gedanken daran, daß ich dieses Tor verschlossen halten muß."
News berichtete, nach dem Ereignis würden "die Sicherheitsvorkehrungen im Hause King ... erhöht." Wie sich herausstellte, sogar auf geradezu panische Weise: Der Zaun (der drei Viertel des Grundstückes einschloß) wurde erweitert, die Eingangstore wurden mit Vorhängeschlössern ausgerüstet, und die freiliegende Auffahrt wurde ebenfalls mit Toren verbarrikadiert. Wenn man zu Fuß auf das Gelände kommen wollte, mußte man durch ein separates Eingangstor neben der Einfahrt gehen; bevor man eintrat, mußte man die korrekte Codenummer in eine digitale Tastatur, die neben dem Tor angebracht war, eintippen. Kings Privathaus wurde nun zu einer Festung mit Barrikaden, die Eindringlinge fernhalten sollten - ein hoher Preis, den man, in Douglas Winters Worten, für "den Ruhm und Reichtum eines Schriftstellers" zahlen mußte.
Fünf Monate später sollte Keene an seinen Heimatstaat Texas ausgeliefert werden. Wie die News berichtete: Der Mann, der in das Haus des Autors Stephen King einbrach, hat die Stadt verlassen ... zusammen mit einer Eskorte von Polizeibeamten aus Texas [den Texas Rangers]. Keene saß seit seiner Verhaftung nach dem am 20. April verübten Einbruch im Penobscot County Jail ein ... Nachdem sein Fall während des Gerichtsverfahrens einen ungewöhnlichen Verlauf nahm, bekannte er sich schließlich des Einbruchs für schuldig, und die Anklage wegen Terrorisierens wurde fallengelassen. Ende des letzten Monats wurde er zu der Strafe verurteilt, die er bereits im Gefängnis verbracht hatte, mußte jedoch bis zur Ankunft der Polizeibeamten aus Texas dort verweilen. Während seiner zweijährigen Bewährungszeit muß sich Keene außerdem sowohl von den Kings als auch von der Penobscot County fernhalten. Keene hat behauptet, daß seine Hauptfigur [Annie Wilkes] in Stephen Kings Buch Misery nach dem Vorbild der in Texas verurteilten Kindsmörderin, Genene Jones, entstanden sei, bei der es sich, laut Keene, um seine Tante handele.
In einem Interview mit Rodney Labbe, das vier Jahre zuvor stattgefunden hatte, erklärte Tabitha King die Gefahren, die Berühmtheit und ungewollter Ruhm mit sich bringen und die ihre schlimmsten Ängste widerspiegelten: Ich glaube, daß es ziemlich krank ist, wenn Leute ersatzweise durch andere leben. John Belushi und Elvis Presley waren echte Opfer ihres Ruhms - und demzufolge auch ihrer Fans -, da ein schwacher Charakter der ewigen Schmeichlerei nichts entgegenzusetzen weiß. Geld und Ruhm ziehen die Selbstsüchtigen an, die dazu bereit sind, alles zu tun, was du willst, selbst wenn es dich verletzt oder umbringt, nur weil du dafür bezahlen kannst, oder weil du eine Berühmtheit bist. Mark Chapmans Attentat auf John Lennon war das Ergebnis dieser Heldenverehrung in einem Land, in dem geistig verwirrte Menschen ein Recht sowohl auf tödliche Waffen als auch auf den Zugang zu berühmten Leuten haben. Chapman wollte, wie er selbst zugab, einfach nur eine berühmte Person umbringen; es spielte für ihn keine Rolle, ob es John Lennon oder Paul Simon oder Steve King war - die er alle auch schon persönlich angesprochen hatte. Durch einen Mord kann der Fan sein Idol endgültig in seinen Besitz bringen. Es wird wieder passieren, solange sich Amerika weigert, der Epidemie des Mordes mit Waffen ein Ende zu setzen, und solange die von den Medien noch bekräftigte Behauptung, daß eine öffentliche Person auch öffentliches Eigentum ist, aufrechterhalten wird.
George Beahm: Stephen King. Leben und Werk, ins Deutsche übertragen von Adelheid Hartmann, Bastei Lübbe Bergisch Gladbach 1995., S. 260f., S. 293ff. und S. 301. (amerikanische Originalausgabe 1992.)
Das hört sich beinahe wie etwas aus einer Stephen-King-Geschichte an: ein Vorfall aus dem echten Leben, der sich zu phantastisch anhört, um wahr zu sein, was anscheinend auch der Fall ist. David Streitfeld schrieb in der Washington Post, zu der Zeit, als das Ereignis, laut King, stattgefunden habe "lebte Chapman in Hawaii, und seine angespannte finanzielle Situation ließ es kaum zu, daß er nach New York fliegen konnte". Streitfeld schrieb, King erinnere sich zwar daran, ein Autogramm für einen Mark Chapman unterschrieben zu haben, doch King sei sich selbst nicht sicher, ob es sich dabei um den Mark Chapman gehandelt habe.
Wie King zu seinem Schrecken feststellen mußte, lag der Nachteil des Ruhms darin, daß seine Fans ihn nicht in Ruhe lassen würden. "Es scheint, als würden eine Menge Leute irgend etwas wollen. Sie wollen ein Stück von dir ..."
Eine von ihnen, Anne Hiltner aus Trenton, New Jersey, schien direkt aus der in Langoliers gedruckten Geschichte Das geheime Fenster, der geheime Garten zu stammen. Das Leben imitierte die Kunst, als Hiltner, wie die Hauptfigur in seiner Geschichte, King eines Plagiats beschuldigte. Ganz gemäß der rhetorischen Frage, die King in seinem Vorwort zu der Geschichte stellte: "Was passiert ... wenn das Fenster zwischen der Wirklichkeit und dem Phantastischen zerbricht und die Scheiben fliegen?"
Wie King wußte, konnten die seltsamsten Dinge geschehen, wenn dieses Fenster zerbrach. In der Ausgabe vom 18. April 1991 der Newport New Daily Press berichtete der kurzgefaßte Artikel Frau Verklagt King über diese surreale Geschichte: Eine Frau verklagt den Autor Stephen King, da er sich, wie sie behauptet, ihr geistiges Eigentum angeeignet habe und die Hauptfigur in Misery (dt.: Sie) auf ihrem Leben basieren würde. Anne Hiltner behauptet außerdem, King sei in ihr Haus eingebrochen und hätte einige Manuskripte gestohlen, zu dem auch das für seinen Bestsellerroman Misery gehörte. Kings Anwalt stritt diese fälschlichen Behauptungen wütend ab. Hiltner, eine Princeton-Absolventin, verlangt Schadenersatz, einen Anteil an den Tantiemen und die Entfernung des Buches aus dem Buchhandel. Sie führt an, King habe ihr im Jahre 1986 oder 1987 acht verlagsrechtlich geschützte Manuskripte gestohlen, die teilweise von ihr und teilweise von ihrem Bruder, James Hiltner, geschrieben worden waren. Hiltner fordert, daß der Autor Teile ihrer unveröffentlichten Werke in Misery miteinbringt.
Kings Heimatzeitung, Bangor Daily News lieferte noch zusätzliche Informationen über Hiltner. John Ripley, Redaktionsmitglied der News berichtete: Anne Hiltner erhebt beim Gericht New Jerseys Anklage gegen King. Sie behauptet, der Autor aus Bangor sei in ihr Haus und einen gemieteten Lagerraum eingebrochen, um ihre Arbeiten zu stehlen. Außerdem sei King mit einem Flugzeug über ihr Haus hinweggeflogen und habe sie mit Hilfe von Abhörgeräten belauscht. Hiltner, die King bereits seit zehn Jahren regelmäßig schreibt, versichert, daß die Romanfigur Wilkes aus Misery auf ihrem Leben basiere. In einem Brief, den sie im August 1990 an die News schickte, beteuert Hiltner, sie sei das "Opfer von fünf verleumderischen Büchern Stephen Kings und über einhundertfünfzig allein im Jahre 1990 von King verübten Einbrüchen". In diesem unzusammenhängenden, unveröffentlichten Brief schreibt Hiltner weiterhin, daß sie im Juli letzten Jahres beim Bangor-Polizeidepartment Beschwerde gegen Kings kriminelle Handlungen eingelegt habe, und daß King sie daraufhin letzten August anrief. Sie beschwerte sich außerdem darüber, daß sie von Seiten der Polizei in Bangor nur wenig Hilfe erhalten habe.
Das 1984 geschriebene und 1987 veröffentlichte Buch Misery wurde 1990 für die Leinwand umgeschrieben. Der Zeitpunkt der Klageerhebung legt nahe, daß der finanzielle Erfolg des Filmes Misery und die lobenden Worte der Kritiker wahrscheinlich der Katalysator für die Klage waren. Zwei Dinge standen jedoch eindeutig fest: Der Roman Misery war vor dem von Hiltner angegebenen Zeitpunkt des Diebstahls geschrieben und veröffentlicht worden. Und obwohl jeder eine Klage erheben kann, steht die Frage, ob man sie auch gewinnen wird, auf einem anderen Blatt. Wie der Kriminalbeamte aus Bangor, Robert Welch, bestätigte, wurde die sinnlose Klage letzten Endes abgewiesen. Trotzdem zeigte dieser Vorfall auf, welche Gefahren mit dem Ruhm verbunden sind, was Douglas E. Winter in seiner Abhandlung über Misery in dem Buch Stephen King: The Art for Darkness wie folgt erklärte: Stephen King spricht nur selten über die dunkle Seite seines Erfolges - die übereifrigen Fans, die echten Geisteskranken; daß er kein Privatleben mehr hat und ständig mit dem allgegenwärtigen Gespenst der Ausbeutung konfrontiert ist ... unter dem Gewicht der ständigen Drehbuchkorrekturen und den immer größer werdenden Ansprüchen, die man an seine Zeit stellte, leidend, brachte er schließlich einen Kurzroman zum Vorschein, dessen erster Entwurf beinahe schon vollendet war, und der voller Scharfsinn die größte Gefahr seines Ruhms erkundete.
Der Kriminalbeamte aus Bangor, Detective Robert Welch, hatte gehört, daß Hiltner eine Reise nach Bangor unternehmen würde, was sie jedoch nie tat. Aber der in San Antonio, Texas, lebende Eric Keene, der in einem Fast-food-Restaurant arbeitete, beschloß, daß er seinem Autor Nummer eins einen Besuch abstatten würde. Laut Detective Welch, erzählte Keene seinem Arbeitgeber, daß er nach Bangor, Maine, gehen würde ... was er dann auch tat.
Gemäß der Bangor Daily News habe Keene sowohl Stephen Kings Geschäftsräumen in Bangor als auch Kings Privathaus im Historic District, das in der Stadt nur allzu gut bekannt war, heimgesucht. Keene "erzählte der Polizei ... daß er etwas zu tun plane, mit dem er sich ins Licht der Öffentlichkeit rücken könne."
Am 18. April 1991 marschierte Keene in Kings Büro. Die News berichteten: "Marsha DeFilippo, eine Büroangestellte, erzählt, Keene habe von King verlangt, daß er ihm ein Paar Kontaktlinsen kaufte, ihm für einige Monate Quartier gewährte und ihn mit Zigaretten und Bier versorgte."
"Er belästigte mich derart, daß ich einige Leute, die mit mir arbeiten, bat, die Polizei zu rufen, falls er noch einmal auftauchen würde", erklärte Stephen King gegenüber der News. Zwei Tage später geschah das Undenkbare. Tabitha King, die sich nicht wohl fühlte, befand sich allein zu Hause, als das Fenster zwischen der Wirklichkeit und dem Phantastischen zerbarst und die Scherben flogen. (Stephen King und einer ihrer Söhne waren in Philadelphia bei einem Basketballspiel.)
Es war sechs Uhr morgens, als Tabitha King "hörte, wie in der Küche ein Glas zerbrach." Sie dachte, "es sei das Glasregal über dem Spülbecken und ... daß die Katze dort hinaufgesprungen sei."
Im Nachthemd ging sie nach unten, um nachzusehen. Doch anstelle ihrer Katze erblickte sie Keene. "Ich hatte überhaupt keine Zeit, mich zu fürchten", erzählte Tabitha später der News. "Ich war einfach nur erschrocken. Mein Körper hatte mir die Entscheidung schon aus der Hand genommen. Ich befand mich bereits auf dem Weg zur Tür, bevor er mir sagte, daß er eine Bombe hätte."
Tabitha flüchtete in ein Nachbarshaus und rief die Polizei. Die Beamten riegelten die Straße ab und begaben sich mit einigen Polizeihunden ins Haus, die Keene dann auf dem Dachboden ausfindig machten. Der "Fernzünder", den Keene in der Hand hielt, bestand nur "aus Pappe und einigen elektronischen Teilchen aus einem Taschenrechner."
"Ich wollte einfach auf diesen Dachboden. Ich habe genau das gemacht, was ich geplant hatte, als ich dort hinaufging. Ich sah es als eine Entschädigung für all die Bemühungen, die ich unternommen hatte", erzählte Keene später der News, als er gefragt wurde, was er unternommen hätte, wenn er nicht von der Polizei entdeckt worden wäre.
"Ich weiß nicht, was ich getan hätte, aber es ist lustig, es sich vorzustellen, oder?" überlegte Keene.
Laut News war Keene "vom Dallas County für Diebstahl verurteilt und wegen guter Führung bedingt entlassen" worden. Es wurde weiterhin berichtet, daß "der Mann aus Texas sagte, die Ärzte hätten ihn für schizophren erklärt, und er nehme schon jahrelang Drogen, die ihm von den behandelnden Ärzten verschrieben wurden." Was das Motiv anbelangte, berichtete die News: "Keene meint, er wolle ein Buch mit King schreiben. Er sagt, er sei es leid, arm zu sein, und daß er aufgrund seiner Geisteskrankheit diskriminiert würde."
Vor dem Obergericht von der Penobscot County wurde Keene wegen Einbruchs und Terrorisierung angeklagt und für schuldig erklärt, woraufhin er "auf nicht schuldig des Einbruchs im Sinne der Anklage und aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit auf unschuldig im Sinne der Anklageerhebung plädierte."
Die News fuhr fort: "Keene behauptet, er habe viele Probleme. Er fügte hinzu, daß er schon eine Menge Pläne darüber gemacht habe, was er tun wolle, wenn er jemals wieder aus dem Gefängnis kam. Er sagte, wenn er herauskomme, würde er King ein Geschenk ‚aus dem Reich des Makabren' machen."
Nach dem Vorfall, den Keene als "meine kleine Episode des Schreckens" bezeichnete, erklärte Stephen King gegenüber Journalisten: "Immerhin wohnen wir schon seit zwölf Jahren hier, und das war das erste Mal, daß jemand versucht hat, auf unserem Dachboden eine Bombe anzubringen." King, der sich weigerte, zum Gefangenen seines eigenen Erfolges zu werden, erzählte der Zeitung, daß er nur selten von Ortsansässigen belästigt würde. "Normalerweise schreiben diese Leute und kommen nicht einfach vorbei", meinte King. "Ich will nicht wie Michael Jackson leben oder wie Elvis in Graceland. Das ist ekelhaft. Es war schon schlimm genug, als wir den Zaun aufstellen mußten. Und es war sogar noch schlimmer, als wir uns ein Tor anschaffen mußten. Ich verabscheue den Gedanken daran, daß ich dieses Tor verschlossen halten muß."
News berichtete, nach dem Ereignis würden "die Sicherheitsvorkehrungen im Hause King ... erhöht." Wie sich herausstellte, sogar auf geradezu panische Weise: Der Zaun (der drei Viertel des Grundstückes einschloß) wurde erweitert, die Eingangstore wurden mit Vorhängeschlössern ausgerüstet, und die freiliegende Auffahrt wurde ebenfalls mit Toren verbarrikadiert. Wenn man zu Fuß auf das Gelände kommen wollte, mußte man durch ein separates Eingangstor neben der Einfahrt gehen; bevor man eintrat, mußte man die korrekte Codenummer in eine digitale Tastatur, die neben dem Tor angebracht war, eintippen. Kings Privathaus wurde nun zu einer Festung mit Barrikaden, die Eindringlinge fernhalten sollten - ein hoher Preis, den man, in Douglas Winters Worten, für "den Ruhm und Reichtum eines Schriftstellers" zahlen mußte.
Fünf Monate später sollte Keene an seinen Heimatstaat Texas ausgeliefert werden. Wie die News berichtete: Der Mann, der in das Haus des Autors Stephen King einbrach, hat die Stadt verlassen ... zusammen mit einer Eskorte von Polizeibeamten aus Texas [den Texas Rangers]. Keene saß seit seiner Verhaftung nach dem am 20. April verübten Einbruch im Penobscot County Jail ein ... Nachdem sein Fall während des Gerichtsverfahrens einen ungewöhnlichen Verlauf nahm, bekannte er sich schließlich des Einbruchs für schuldig, und die Anklage wegen Terrorisierens wurde fallengelassen. Ende des letzten Monats wurde er zu der Strafe verurteilt, die er bereits im Gefängnis verbracht hatte, mußte jedoch bis zur Ankunft der Polizeibeamten aus Texas dort verweilen. Während seiner zweijährigen Bewährungszeit muß sich Keene außerdem sowohl von den Kings als auch von der Penobscot County fernhalten. Keene hat behauptet, daß seine Hauptfigur [Annie Wilkes] in Stephen Kings Buch Misery nach dem Vorbild der in Texas verurteilten Kindsmörderin, Genene Jones, entstanden sei, bei der es sich, laut Keene, um seine Tante handele.
In einem Interview mit Rodney Labbe, das vier Jahre zuvor stattgefunden hatte, erklärte Tabitha King die Gefahren, die Berühmtheit und ungewollter Ruhm mit sich bringen und die ihre schlimmsten Ängste widerspiegelten: Ich glaube, daß es ziemlich krank ist, wenn Leute ersatzweise durch andere leben. John Belushi und Elvis Presley waren echte Opfer ihres Ruhms - und demzufolge auch ihrer Fans -, da ein schwacher Charakter der ewigen Schmeichlerei nichts entgegenzusetzen weiß. Geld und Ruhm ziehen die Selbstsüchtigen an, die dazu bereit sind, alles zu tun, was du willst, selbst wenn es dich verletzt oder umbringt, nur weil du dafür bezahlen kannst, oder weil du eine Berühmtheit bist. Mark Chapmans Attentat auf John Lennon war das Ergebnis dieser Heldenverehrung in einem Land, in dem geistig verwirrte Menschen ein Recht sowohl auf tödliche Waffen als auch auf den Zugang zu berühmten Leuten haben. Chapman wollte, wie er selbst zugab, einfach nur eine berühmte Person umbringen; es spielte für ihn keine Rolle, ob es John Lennon oder Paul Simon oder Steve King war - die er alle auch schon persönlich angesprochen hatte. Durch einen Mord kann der Fan sein Idol endgültig in seinen Besitz bringen. Es wird wieder passieren, solange sich Amerika weigert, der Epidemie des Mordes mit Waffen ein Ende zu setzen, und solange die von den Medien noch bekräftigte Behauptung, daß eine öffentliche Person auch öffentliches Eigentum ist, aufrechterhalten wird.
George Beahm: Stephen King. Leben und Werk, ins Deutsche übertragen von Adelheid Hartmann, Bastei Lübbe Bergisch Gladbach 1995., S. 260f., S. 293ff. und S. 301. (amerikanische Originalausgabe 1992.)
Darsteller und Darstellerinnen | |
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Annie Wilkes | Helga Isensee |
Paul Sheldon | Bernhard Koessler-Dirsch |
Inszenierungsteam | |
Regie | |
Ausstattung | |
Dramaturgie | Sandra Pagel |
Regieassistenz | |
Inspizienz | |
Souffleuse |
Stand vom 18.03.2004