Schauspiel/Komödie
Adam und Eva
Komödie in einem Vorspiel und drei Akten von Peter HacksDie Paradiesgeschichte, dieses große Bild vom Anfang des Menschen, ist vom Verfasser ausgelegt worden als das große komische Bild vom Betreten der wirklichen Welt. PETER HACKS
Gott schuf den Menschen. Genauer: Er schuf den Mann und nannte ihn Adam. Als Adam sich als einziger seiner Art zu langweilen begann, schuf Gott aus einem Teil Adams (manche sagen, es wäre die Rippe gewesen) die Frau – Eva. Und die Welt bewegte sich in perfektem Gleichgewicht. – So weit, so langweilig.
Gott sei dank war mit Satanael, dem abgefallenen Engel, auch das Böse schon in der Welt, das kein höheres Ziel kannte, als eben dieses perfekte Gleichgewicht aus purer Lust am Chaos zu stören. Satanael verführt in Gestalt der Schlange das schwächste Glied in Gottes Schöpfung, Eva, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu essen. Genau das – nämlich den Sündenfall – versucht Erzengel Gabriel währenddessen so hingebungsvoll wie erfolglos zu verhindern. Und so wird durch die turbulente Verkettung der Ereignisse um einen einfachen Apfel die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, seine Entlassung in Freiheit und selbstverantwortliches Tun ausgelöst.
Regie:Udo Schneider
Ausstattung: Volker Walther
Premiere: 3. Dezember 2004
Abgespielt.
Gott schuf den Menschen. Genauer: Er schuf den Mann und nannte ihn Adam. Als Adam sich als einziger seiner Art zu langweilen begann, schuf Gott aus einem Teil Adams (manche sagen, es wäre die Rippe gewesen) die Frau – Eva. Und die Welt bewegte sich in perfektem Gleichgewicht. – So weit, so langweilig.
Gott sei dank war mit Satanael, dem abgefallenen Engel, auch das Böse schon in der Welt, das kein höheres Ziel kannte, als eben dieses perfekte Gleichgewicht aus purer Lust am Chaos zu stören. Satanael verführt in Gestalt der Schlange das schwächste Glied in Gottes Schöpfung, Eva, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu essen. Genau das – nämlich den Sündenfall – versucht Erzengel Gabriel währenddessen so hingebungsvoll wie erfolglos zu verhindern. Und so wird durch die turbulente Verkettung der Ereignisse um einen einfachen Apfel die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, seine Entlassung in Freiheit und selbstverantwortliches Tun ausgelöst.
Regie:
Ausstattung: Volker Walther
Premiere: 3. Dezember 2004
Abgespielt.
Die ist so schmal und weiß, kaum merklich nur geschlitzt,
Der Rippe ähnlich noch, woraus man sie geschnitzt.
Und in so kargen Wuchs will ich nun solche Mengen
Von meinem aus Begier genährten Mißwuchs drängen?
Nun denn, sie blickt erstaunt. Nun denn, sie spricht: nein, nein.
Da bin ich schon in ihr und kann nicht wohler sein
Und finde Raum zur Lust und Freiheit zum Vergnügen.
Und ließ mich um ein Haar von ihrer Schmalheit trügen.
Sei, Adam, unbesorgt um deiner Brunst Verbleib.
Es paßt enorm viel Mann in äußerst wenig Weib.
Doch kommt mir etwa ein, beiläufig unterm Lieben
Von meinem Weltgefühl auch mit hineinzuschieben,
Da faßt sie mich nicht mehr und hat sich bang und eng
Und hält mir vor, wie schier ich sie in Stücke spreng,
Und seufzt verzweiflungstrüb, als sei sie schon zerbrochen,
Und wird, von dem sie stammt: der weiß und spröde Knochen.
Da schab ich nun mein Herz, mein Sehnen stößt sich wund.
Da lieg ich mit Verdruß und sehe nicht den Grund,
Daß eher ich mein Fleisch vollauf in ihres quäle
Als in ihr Seelchen nur ein Quent von meiner Seele.
O Schrammenfühlender! jetzt werde du nicht kalt.
Frost heilst du nicht mit Frost und Angst nicht mit Gewalt.
Hier ziemt Behutsamkeit. Hier wird sie Schutz bedürfen.
Hier darfst du nicht in ihr, wie dir zu Mut ist, schürfen.
Hier wehrt sie sich aus Not. Hier ist nicht alles mehr,
Zogst du dich hier zurück, so wie es war vorher.
Hier sollst, will Gott, dein Ziel unschadend du erreichen,
Gelingt ihr Tiefstes dir vertraulich zu erweichen.
Denn nicht ihr innrer Schoß, nein, ihre innre Brust
Ist, wo, wenn du sie liebst, du ihrer schonen mußt.
PETER HACKS
Der Rippe ähnlich noch, woraus man sie geschnitzt.
Und in so kargen Wuchs will ich nun solche Mengen
Von meinem aus Begier genährten Mißwuchs drängen?
Nun denn, sie blickt erstaunt. Nun denn, sie spricht: nein, nein.
Da bin ich schon in ihr und kann nicht wohler sein
Und finde Raum zur Lust und Freiheit zum Vergnügen.
Und ließ mich um ein Haar von ihrer Schmalheit trügen.
Sei, Adam, unbesorgt um deiner Brunst Verbleib.
Es paßt enorm viel Mann in äußerst wenig Weib.
Doch kommt mir etwa ein, beiläufig unterm Lieben
Von meinem Weltgefühl auch mit hineinzuschieben,
Da faßt sie mich nicht mehr und hat sich bang und eng
Und hält mir vor, wie schier ich sie in Stücke spreng,
Und seufzt verzweiflungstrüb, als sei sie schon zerbrochen,
Und wird, von dem sie stammt: der weiß und spröde Knochen.
Da schab ich nun mein Herz, mein Sehnen stößt sich wund.
Da lieg ich mit Verdruß und sehe nicht den Grund,
Daß eher ich mein Fleisch vollauf in ihres quäle
Als in ihr Seelchen nur ein Quent von meiner Seele.
O Schrammenfühlender! jetzt werde du nicht kalt.
Frost heilst du nicht mit Frost und Angst nicht mit Gewalt.
Hier ziemt Behutsamkeit. Hier wird sie Schutz bedürfen.
Hier darfst du nicht in ihr, wie dir zu Mut ist, schürfen.
Hier wehrt sie sich aus Not. Hier ist nicht alles mehr,
Zogst du dich hier zurück, so wie es war vorher.
Hier sollst, will Gott, dein Ziel unschadend du erreichen,
Gelingt ihr Tiefstes dir vertraulich zu erweichen.
Denn nicht ihr innrer Schoß, nein, ihre innre Brust
Ist, wo, wenn du sie liebst, du ihrer schonen mußt.
PETER HACKS
(...) Die Geschichte vom Sündenfall steht in der Genesis. Der Verfasser hat nicht unternommen, auf den hinter der biblischen Erzählung im Dunkel ruhenden Mythos zurückzugreifen; übrigens sind es mehrere mythische Schichten, die da ruhen, matriarchalische und patriarchalische, agrarische und nomadische. Jede zeigt sich an zufälligen Stellen, keine ganz; die Stellen passen nicht zueinander. (...) Kurz, eine verbindliche Urform des Mythos ist kaum wiederherstellbar. Vielleicht behandelte er die Erfindung des Beischlafs.
So läßt der Verfasser ruhen, was ruhen will. Er folgt treulich dem Jahvisten und den Priestern, und er folgt den Kirchenvätern, die in der Sache gut Bescheid wußten. Zum Beispiel berichtet Augustin, daß im Stande der Unschuld das männliche Zeugungsglied dem Willen auf den Wink gehorchte; es tat und ließ, was der Mann von ihm wollte, während seit dem Sündenfall der Mann tut und läßt, was seinem Gliede in den Kopf kommt. Dem Einwand, daß bestimmte Körperteile dem Zugriff der Vernunft doch entzogen seien, begegnet der Philosoph durch Anführung eines Menschen, welcher mit dem After Melodien furzen konnte. Man wird sehen, daß der Verfasser aus dieser Information einen seiner entscheidenden Fabelpunkte gewonnen hat. Auch genauere Kenntnis der vor dieser Welt erschaffenen Welten verdankt er dem Augustin. (...)
Natürlich sind die Einsichten der mythischen oder mythisch gefärbten Dialektik von vorwissenschaftlicher Art; hiermit ist nicht gesagt, daß sie sich erübrigt hätten. Die Wissenschaft weiß nicht alles. Und dort, wo sie weiß, taugt sie noch längst nicht für die Kunst. Die anschauliche Weise des Begreifens, welche nicht allein den Kopf, sondern auch die Haltungen des Begreifenden verändert, erzielt, wenn es ums praktische Urteilen geht, sehr häufig das reichere und richtigere Ergebnis. (...)
Das große Bild vom Sündenfall (...) zeigt die Undenkbarkeit eines vollkommenen Zustands. Ein vollkommener Zustand wäre mit Notwendigkeit einer, der auch sein Gegenteil in sich enthielte; ein solcher aber würde das Bedürfnis haben, sich zu bewegen. Daher gehört Bewegung zum Höheren zur Vollkommenheit; daher gehört Unvollkommenheit zur Vollkommenheit. Eine vollkommene Bewegung geht zu denken, nicht ein vollkommener Zustand. Das Paradies, sagt der Jahvist, ist zu.
Es zeigt die Freiheit als Entfremdung und aber auch die Entfremdung als Freiheit. Die Freiheit zum Guten kann von der zum Bösen nicht getrennt werden; Freiheit ist die Möglichkeit, einen Weltzustand um eines neueren willen zu verlassen, und die Gerechtigkeit, die sie diesem widerfahren läßt, ist zugleich die Ungerechtigkeit, die sie jenem antut. Haben Adam und Eva richtig oder falsch gehandelt? Sie haben gehandelt. Ist Gott mit ihnen unzufrieden? Es ist so schwer zu sagen; er schimpft, aber er macht ihnen Hosen.
Sobald wir, im Denken oder Tun, in die wirkliche Welt eintreten, betreten wir das Reich, wo es dialektisch hergeht. Die Paradiesgeschichte, dieses große Bild vom Anfang des Menschen, ist vom Verfasser ausgelegt worden als das große komische Bild vom Betreten der wirklichen Welt. (...)
PETER HACKS
So läßt der Verfasser ruhen, was ruhen will. Er folgt treulich dem Jahvisten und den Priestern, und er folgt den Kirchenvätern, die in der Sache gut Bescheid wußten. Zum Beispiel berichtet Augustin, daß im Stande der Unschuld das männliche Zeugungsglied dem Willen auf den Wink gehorchte; es tat und ließ, was der Mann von ihm wollte, während seit dem Sündenfall der Mann tut und läßt, was seinem Gliede in den Kopf kommt. Dem Einwand, daß bestimmte Körperteile dem Zugriff der Vernunft doch entzogen seien, begegnet der Philosoph durch Anführung eines Menschen, welcher mit dem After Melodien furzen konnte. Man wird sehen, daß der Verfasser aus dieser Information einen seiner entscheidenden Fabelpunkte gewonnen hat. Auch genauere Kenntnis der vor dieser Welt erschaffenen Welten verdankt er dem Augustin. (...)
Natürlich sind die Einsichten der mythischen oder mythisch gefärbten Dialektik von vorwissenschaftlicher Art; hiermit ist nicht gesagt, daß sie sich erübrigt hätten. Die Wissenschaft weiß nicht alles. Und dort, wo sie weiß, taugt sie noch längst nicht für die Kunst. Die anschauliche Weise des Begreifens, welche nicht allein den Kopf, sondern auch die Haltungen des Begreifenden verändert, erzielt, wenn es ums praktische Urteilen geht, sehr häufig das reichere und richtigere Ergebnis. (...)
Das große Bild vom Sündenfall (...) zeigt die Undenkbarkeit eines vollkommenen Zustands. Ein vollkommener Zustand wäre mit Notwendigkeit einer, der auch sein Gegenteil in sich enthielte; ein solcher aber würde das Bedürfnis haben, sich zu bewegen. Daher gehört Bewegung zum Höheren zur Vollkommenheit; daher gehört Unvollkommenheit zur Vollkommenheit. Eine vollkommene Bewegung geht zu denken, nicht ein vollkommener Zustand. Das Paradies, sagt der Jahvist, ist zu.
Es zeigt die Freiheit als Entfremdung und aber auch die Entfremdung als Freiheit. Die Freiheit zum Guten kann von der zum Bösen nicht getrennt werden; Freiheit ist die Möglichkeit, einen Weltzustand um eines neueren willen zu verlassen, und die Gerechtigkeit, die sie diesem widerfahren läßt, ist zugleich die Ungerechtigkeit, die sie jenem antut. Haben Adam und Eva richtig oder falsch gehandelt? Sie haben gehandelt. Ist Gott mit ihnen unzufrieden? Es ist so schwer zu sagen; er schimpft, aber er macht ihnen Hosen.
Sobald wir, im Denken oder Tun, in die wirkliche Welt eintreten, betreten wir das Reich, wo es dialektisch hergeht. Die Paradiesgeschichte, dieses große Bild vom Anfang des Menschen, ist vom Verfasser ausgelegt worden als das große komische Bild vom Betreten der wirklichen Welt. (...)
PETER HACKS
Darsteller und Darstellerinnen | |
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Eva | Monika Radl |
Adam | Peter-Benjamin Eichhorn |
Gott | Wolfram Scheller |
Gabriel | Stephan von Soden |
Satanael | Uwe Schmiedel |
Inszenierungsteam | |
Regie | Udo Schneider |
Ausstattung | |
Dramaturgie / Regieassistenz | Sandra Pagel |
Musik und Klangcollagen | |
Inspizienz | |
Soufflage |
Stand vom 03.12.2004