Schauspiel

Faust - Der Trägödie erster Teil

Der Tragödie erster Teil von Johann Wolfgang Goethe
Am Anfang des Stückes, im Prolog im Himmel, steht der Abschluß einer Wette zwischen dem Herrn und Mephisto. Diese Wette gilt aber nicht allein Faust, sondern zielt auf die Welt und die Menschheit. Mephistos Anspruch zielt auf das "reine Nichts", das "Ewig-Leere" . Der Herr baut auf die Schöpferkraft des Menschen, auf dessen Fähigkeit, sich zu entwickeln, zu "werden". Und an Faust soll sich's - stellvertretend für die Menschheit - erweisen. Wir erzählen also die Geschichte von Faust, tauchen ein in die Nebel der vergänglichen Zeit und sehen einen Wissenschaftler des "finsteren" Mittelalters vor uns, den die Enge seiner Zeit, die gesetzten Grenzen in der Beherrschung und ökonomischen Nutzung der Naturkräfte "schier um den Verstand" zu bringen scheint. Faust begibt sich auf die Suche nach dem "Stein der Weisen", was in der mittelalterlichen Geisteswelt ein Experimentieren mit okkulten Wissenschaftspraktiken bedeutete.

Die Nebel der Zeit lösen sich, der Gang "vom Himmel durch die Welt zur Hölle" ist gleichzeitig eine Veränderung der historischen Bedingungen. Columbus entdeckt Amerika, industrielle Revolution und Expansion finden statt, im Zusammenhang damit verändert sich das Verständnis von der Rolle des Menschen in dieser Welt. Die Renaissancehumanisten setzten den Menschen Gott gleich, und plötzlich eröffnen sich dem sinnsuchenden Menschen neue Möglichkeiten. Faust aber hat diese neue, das veränderte Menschenverständnis prägende Denkart nicht in seinen Auswirkungen erlebt; er hat daran gearbeitet, sie einzuleiten.

Ihm eröffnet sich eine Chance, endlich zu erkennen, "was die Welt im Innersten zusammenhält" durch seine Begegnung mit Mephisto, dem Teufel. In diesem Aufeinandertreffen von Faust und Mephisto werden personifizierte Gegensätze dargestellt, den der "Geist" Mephisto ist aus der Materie gemacht, in die Faust (unter Zuhilfenahme magischer Riten und Praktiken) eindringen will, die er zu begreifen sucht; und der "Mensch" Faust ist aus dem Stoff gemacht, in den Mephisto Faust verführen will. Insofern sind beide gleichberechtigte Partner im Kampf um die Zielerfüllung.

Unsere Inszenierung zeigt Faust an einem Wendepunkt. Endlich trifft er, eine einsame wissenschaftliche Koryphäe, auf einen gleichberechtigten Partner, der ihm einen Weg ermöglicht, über die Grenzen seiner Zeit hinaus, Erkenntnisse zu erringen. Der Ausgangspunkt seines Handelns und zugleich seine Triebkraft ist die Begrenztheit des materiellen Weltbildes, da für ihn mit dieser Denkmethode keine umfassende Erklärung der Welt mehr möglich ist.

Claudia Lowin