Schauspiel/Thriller
Misery
geb. 1947 in Maine, USA
King: (...) Als ich Anfang der siebziger Jahre mit einem Abschluß in Englisch und einer Lehrerlaubnis das College verließ, stellte ich fest, daß eine Lehrerschwemme herrschte, daher arbeitete ich zunächst als Tankwart in einer Tankstelle und später für sechzig Dollar pro Woche als Bügler in einer Großwäscherei. Wir waren so arm wie Kirchenmäuse und hatten zwei kleine Kinder, und es erübrigt sich wohl zu sagen, daß es nicht leicht war, mit diesem Gehalt auszukommen. Meine Frau suchte sich Arbeit in einem benachbarten Dunkin´ Donuts und kam jeden Abend und roch wie ein Krapfen. Anfangs ein ganz netter Geruch, Sie wissen schon, angenehm und süß, aber nach einer Weile wurde er verdammt penetrant - ich war seither nicht mehr imstande, einem Krapfen ins Gesicht zu sehen.
Wie auch immer, im Herbst 1971 bekam ich schließlich einen Job als Englischlehrer an der Hampden Academy, jenseits des Penobscot River in Bangor, aber sie zahlten nur sechstausendvierhundert Dollar jährlich, kaum mehr, als ich vorher verdient hatte. Ich mußte sogar nachts wieder in der Wäscherei arbeiten, damit wir uns über Wasser halten konnten. Wir lebten auf einer kahlen, verschneiten Bergkuppe in Hermon, Maine, in einem Wohnwagen - was nicht der Arsch des Universums sein mag, aber bestenfalls einen Furz weit davon entfernt ist. Ich kam erschöpft von der Schule heim und zwängte mich in den Heizraum des Wohnwagens, wo ich Tabbys (Kings Frau Tabitha, mit der er seit 1971 verheiratet ist, mittlerweile ebenfalls eine erfolgreiche Autorin, S.P.) kleine tragbare Olivetti auf einen Kindertisch stellte, den ich auf den Knien balancieren mußte, und dort versuchte ich dann, funkelnde Prosa zu tippen.
Dort habe ich übrigens Brennen muß Salem geschrieben. Es war mein zweites veröffentlichtes Buch, aber ich hatte den größten Teil davon fertiggestellt, bevor Carrie von Doubleday angekauft worden war. Und glauben Sie mir, wenn ich nach einem Tag des Unterrichtens nach Hause kam und mit ansehen mußte, wie Tabby kühn mit einen Berg unbezahlter Rechnungen jonglierte, war es ein Vergnügen, mich in diesen engen Heizraum zu zwängen und mit einer Horde blutsaugender Vampire zu kämpfen. Verglichen mit unseren Gläubigern, waren sie eine verdammte Erleichterung!
Playboy: Haben Sie zu der Zeit irgendwelche Sachen verkauft?
King: Ja, aber nur Kurzgeschichten, und auch nur an die weniger verbreiteten Herren-Magazine wie Cavalier oder Dude. Das Geld war weiß Gott hilfreich, aber wenn Sie diesen speziellen Markt kennen, dann wissen Sie, daß es nicht viel war. Jedenfalls reichte das Honorar für meine Kurzgeschichten nicht aus, uns aus den roten Zahlen zu halten, und meine längeren Arbeiten führten zu nichts. Ich hatte mehrere Romane geschrieben, die von unlesbar über mittelmäßig bis ganz passabel reichten, aber alle waren abgelehnt worden, wenngleich ich etwas Zuspruch von einem wunderbaren Lektor bei Doubleday namens Bill Thompson erhielt. Aber so dienlich seine Unterstützung auch war, damit konnte ich nicht zur Bank gehen. Meine Kinder hatten aufgetragene Sachen von Freunden und Verwandten an, unser alter klappriger Buick Special Baujahr 1965 war in rapider Selbstvernichtung begriffen, und wir mußten schließlich Ma Bell bitten, unser Telefon abzuholen.
Und zu alledem ging auch persönlich noch alles schief. Ich würde heute zu gerne sagen, daß ich wacker aufgestanden bin und allen widrigen Umständen mutig die Faust ins Antlitz geschüttelt und unbeeinträchtigt weitergemacht habe, aber das kann ich nicht. Ich ergab mich Selbstmitleid und meinen Ängsten und fing an, zuviel zu trinken und das Geld mit Poker und Glücksspiel durchzubringen. Sie kennen die Szene ja: Es ist Freitagabend, und man löst seinen Gehaltsscheck in der Bar ein und fängt an, sie runterzukippen, und ehe man sich's versieht, hat man das halbe Lebensmittelbudget der Woche auf den Kopf gehauen.
King: (...) ich betrachte mich im Grunde genommen schon als Horror-Autor, weil es mir Spaß macht, den Leuten angst zu machen. So wie Garfield sagt, "Lasagne ist mein Leben", so kann ich mit Fug und Recht sagen, daß Horror meines ist. Ich würde ihn auch dann schreiben, wenn ich nichts dafür bezahlt bekäme, weil es auf Gottes grüner Erde nichts Schöneres gibt, als den Leuten eine Scheißangst einzujagen. (...) Wenn jemand wegen dem, was ich geschrieben habe, schreiend erwacht, dann freut mich das sehr. Wenn er lediglich seine Kekse auskotzt, ist das immer noch ein Sieg, wenn auch ein kleinerer. Ich glaube, der größte Triumph wäre, wenn jemand tot umfällt - Herzschlag, weil er sich buchstäblich zu Tode geängstigt hat. Ich würde sagen: "Herrgott, was für ein Jammer", und es wäre mein Ernst, aber ein Teil von mir würde denken: Mein Gott, es hat tatsächlich funktioniert!
Playboy: Machen Sie sich nie Sorgen, daß geistig instabile Leser Ihre erfundene Gewalt im tatsächlichen Leben begehen könnten?
King: Aber gewiß doch, und das bekümmert mich nicht wenig, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß es nicht so ist. Ich fürchte sogar, es könnte bereits geschehen sein.
PLAYBOY Interview: Stephen King, Playboy (US-Ausgabe), Juni 1983; zitiert nach: George Beahm (Hrsg.): Die Welt des Stephen King. Was Sie schon immer über den "Meister des Horrors" wissen wollten, Heyne München 1992 (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Stephen King Companion by George and Mary Beahm, erschienen bei Andrews & McMeel, Kansas City, Missouri 1989), S. 31ff., S. 51, 52 und 53.
King: (...) Als ich Anfang der siebziger Jahre mit einem Abschluß in Englisch und einer Lehrerlaubnis das College verließ, stellte ich fest, daß eine Lehrerschwemme herrschte, daher arbeitete ich zunächst als Tankwart in einer Tankstelle und später für sechzig Dollar pro Woche als Bügler in einer Großwäscherei. Wir waren so arm wie Kirchenmäuse und hatten zwei kleine Kinder, und es erübrigt sich wohl zu sagen, daß es nicht leicht war, mit diesem Gehalt auszukommen. Meine Frau suchte sich Arbeit in einem benachbarten Dunkin´ Donuts und kam jeden Abend und roch wie ein Krapfen. Anfangs ein ganz netter Geruch, Sie wissen schon, angenehm und süß, aber nach einer Weile wurde er verdammt penetrant - ich war seither nicht mehr imstande, einem Krapfen ins Gesicht zu sehen.
Wie auch immer, im Herbst 1971 bekam ich schließlich einen Job als Englischlehrer an der Hampden Academy, jenseits des Penobscot River in Bangor, aber sie zahlten nur sechstausendvierhundert Dollar jährlich, kaum mehr, als ich vorher verdient hatte. Ich mußte sogar nachts wieder in der Wäscherei arbeiten, damit wir uns über Wasser halten konnten. Wir lebten auf einer kahlen, verschneiten Bergkuppe in Hermon, Maine, in einem Wohnwagen - was nicht der Arsch des Universums sein mag, aber bestenfalls einen Furz weit davon entfernt ist. Ich kam erschöpft von der Schule heim und zwängte mich in den Heizraum des Wohnwagens, wo ich Tabbys (Kings Frau Tabitha, mit der er seit 1971 verheiratet ist, mittlerweile ebenfalls eine erfolgreiche Autorin, S.P.) kleine tragbare Olivetti auf einen Kindertisch stellte, den ich auf den Knien balancieren mußte, und dort versuchte ich dann, funkelnde Prosa zu tippen.
Dort habe ich übrigens Brennen muß Salem geschrieben. Es war mein zweites veröffentlichtes Buch, aber ich hatte den größten Teil davon fertiggestellt, bevor Carrie von Doubleday angekauft worden war. Und glauben Sie mir, wenn ich nach einem Tag des Unterrichtens nach Hause kam und mit ansehen mußte, wie Tabby kühn mit einen Berg unbezahlter Rechnungen jonglierte, war es ein Vergnügen, mich in diesen engen Heizraum zu zwängen und mit einer Horde blutsaugender Vampire zu kämpfen. Verglichen mit unseren Gläubigern, waren sie eine verdammte Erleichterung!
Playboy: Haben Sie zu der Zeit irgendwelche Sachen verkauft?
King: Ja, aber nur Kurzgeschichten, und auch nur an die weniger verbreiteten Herren-Magazine wie Cavalier oder Dude. Das Geld war weiß Gott hilfreich, aber wenn Sie diesen speziellen Markt kennen, dann wissen Sie, daß es nicht viel war. Jedenfalls reichte das Honorar für meine Kurzgeschichten nicht aus, uns aus den roten Zahlen zu halten, und meine längeren Arbeiten führten zu nichts. Ich hatte mehrere Romane geschrieben, die von unlesbar über mittelmäßig bis ganz passabel reichten, aber alle waren abgelehnt worden, wenngleich ich etwas Zuspruch von einem wunderbaren Lektor bei Doubleday namens Bill Thompson erhielt. Aber so dienlich seine Unterstützung auch war, damit konnte ich nicht zur Bank gehen. Meine Kinder hatten aufgetragene Sachen von Freunden und Verwandten an, unser alter klappriger Buick Special Baujahr 1965 war in rapider Selbstvernichtung begriffen, und wir mußten schließlich Ma Bell bitten, unser Telefon abzuholen.
Und zu alledem ging auch persönlich noch alles schief. Ich würde heute zu gerne sagen, daß ich wacker aufgestanden bin und allen widrigen Umständen mutig die Faust ins Antlitz geschüttelt und unbeeinträchtigt weitergemacht habe, aber das kann ich nicht. Ich ergab mich Selbstmitleid und meinen Ängsten und fing an, zuviel zu trinken und das Geld mit Poker und Glücksspiel durchzubringen. Sie kennen die Szene ja: Es ist Freitagabend, und man löst seinen Gehaltsscheck in der Bar ein und fängt an, sie runterzukippen, und ehe man sich's versieht, hat man das halbe Lebensmittelbudget der Woche auf den Kopf gehauen.
King: (...) ich betrachte mich im Grunde genommen schon als Horror-Autor, weil es mir Spaß macht, den Leuten angst zu machen. So wie Garfield sagt, "Lasagne ist mein Leben", so kann ich mit Fug und Recht sagen, daß Horror meines ist. Ich würde ihn auch dann schreiben, wenn ich nichts dafür bezahlt bekäme, weil es auf Gottes grüner Erde nichts Schöneres gibt, als den Leuten eine Scheißangst einzujagen. (...) Wenn jemand wegen dem, was ich geschrieben habe, schreiend erwacht, dann freut mich das sehr. Wenn er lediglich seine Kekse auskotzt, ist das immer noch ein Sieg, wenn auch ein kleinerer. Ich glaube, der größte Triumph wäre, wenn jemand tot umfällt - Herzschlag, weil er sich buchstäblich zu Tode geängstigt hat. Ich würde sagen: "Herrgott, was für ein Jammer", und es wäre mein Ernst, aber ein Teil von mir würde denken: Mein Gott, es hat tatsächlich funktioniert!
Playboy: Machen Sie sich nie Sorgen, daß geistig instabile Leser Ihre erfundene Gewalt im tatsächlichen Leben begehen könnten?
King: Aber gewiß doch, und das bekümmert mich nicht wenig, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß es nicht so ist. Ich fürchte sogar, es könnte bereits geschehen sein.
PLAYBOY Interview: Stephen King, Playboy (US-Ausgabe), Juni 1983; zitiert nach: George Beahm (Hrsg.): Die Welt des Stephen King. Was Sie schon immer über den "Meister des Horrors" wissen wollten, Heyne München 1992 (Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Stephen King Companion by George and Mary Beahm, erschienen bei Andrews & McMeel, Kansas City, Missouri 1989), S. 31ff., S. 51, 52 und 53.