Die Inszenierung geht vom vorliegenden (und im Interesse eines rezipierbaren Theaterabends eingestrichenen) authentischen Goethetext aus und wird in der Arbeit immer auf ihn zurückkommen und ihn nie aus den Augen verlieren. Sie will diesen Text für die Zuschauer der ubs auf der Bühne lebendig und sinnlich erlebbar machen.

Wir gehen davon aus, dass der Faust ein nach wie vor aktuelles Stück ist, das nicht nur die Fragen des bürgerlichen Zeitalters, sondern der menschlichen Entwicklung überhaupt in einem großen Theatervorgang auf die Bühne bringt. Dabei stellt es Fragen, die jedes denkende Individuum mehr oder weniger bewegen: Fragen der subjektiven Existenz, nach dem Woher und Wohin dieser Existenz, nach der Begreifbarkeit oder Unbegreifbarkeit der Welt, des Universums, nach dem Wechselspiel von Leben und Verantwortung, von Individuum und Gesellschaft, Fragen, die um Schuld und Sühne, Moral und Unmoral, Vergebung und Verdammnis kreisen. Es ist ein Stück um Liebe, Tod und Teufel, und hinter jedem dieser drei Begriffe stecken eine Unzahl weiterer. Und weil es sich um ein aktuelles Stück handelt, gibt es keinen Grund, es aktualisieren zu wollen, ihm ein modisches Design verpassen zu wollen. Wir spielen den Goetheschen Faust, wir spielen ihn heute und hier für ein heutiges Publikum, aber wir spielen keine Variation über dieses Stück und keine ganz besonders interessante Sicht auf das Stück, sondern nehmen den Faust ganz einfach so, wie es ist. Und da Goethe anerkanntermaßen als ein guter Autor gilt, kann man das auch ganz beruhigt tun.

Die Inszenierung will "Eindrücke sinnlicher, lebensvoller, lieblicher, bunter, hundertfältiger Art" (Goethe) vermitteln, und das über eine klare, überschaubare Erzählung des Verlaufs der Wette zwischen Gott und Teufel, deren Gegenstand die Geschichte des Dr. Faust ist.

Diese Geschichte enthält viele Elemente, die direkt der volkstümlichen Überlieferung entnommen sind, sie erzählen die Geschichte naiv, sinnlich, derb, komödiantisch, zauberhaft, gespenstisch, erschreckend, anrührend, erregend, tragisch, brutal, blutig und immer für den Menschen Partei ergreifend. Diese volkstümlich / sinnliche Seite des Stücks interessiert uns besonders, und sie sollte die Inszenierung vorrangig bedienen, ohne die philosophischen Aspekte des Stücks zu unterschätzen oder sie gar zu eliminieren.
Gösta Knothe